Blendwerk Scrollt nach unten und erfahrt mehr.

Groß. Schwer. Schwarz. Teuer. Heiligtum lichtstarke Objektive

Der gezielte Einsatz von Schärfe und Unschärfe durch Einsatz einer möglichst offenen Blende ist natürlich auch bei mir ein wichtiges Stilmittel bei der Bildgestaltung in der Hundefotografie. Wann immer es möglich ist und das Motiv es gestattet, soll sich unser Berner Sennenhund Max auf seinen Fotos im Tagebuch vor einem möglichst weichen und unscharfen Bildhintergrund abheben.

Berner Sennehund Max liegt als Welpe im Schatten vor der Haustier.
Max als Welpe, durch Unschärfe vom Hintergrund freigestellt.

Bei der Anschaffung meiner Objektive zur Hundefotografie habe ich großen Wert auf die Lichtstärke gelegt. Sie ist neben der Abbildungsleistung wohl das wichtigste Qualitätsmerkmal und ergibt sich aus der größtmöglich zur Verfügung stehenden Blendenöffnung und wird neben der Brennweite eines Objektivs stets als zweiter Parameter in der Bezeichnung aufgeführt.

Als lichtstark gelten Objektive mit Blendenöffnungen von ƒ2.8, ƒ1.8 und noch weniger. In den Vitrinen der Fotofachgeschäfte üben Sie hypnotische Anziehungskräfte auf den davor stehenden Kaufinteressenten aus. Suggeriert der oft astronomisch hohe Preis mit ebensolchem Gewicht und jedermann beeindruckender Größe ewiges Fotografenheil und Garantie für das Gelingen eines jeden damit gemachten Fotos.

Lässt man sich durch die gängigen Internetforen treiben oder verfolgt die YouTube–Kanäle bekannter Fotografen, scheint das Fotografieren mit lichtstarken Objektiven bei Offenblende ein absolutes Muss für den einzig wahren Bildlook zu sein. Es zwängt sich der Eindruck auf, dass selbst leichtes Abblenden lichtstarker Objektive verpönt ist und man abfällig auf Objektive mit Blendenöffnungen blickt, die noch eine „2“ vor dem Komma stehen haben.

Pflicht oder Kür Lichtstarke Objektive auch für die Hundefotografie?

Sind lichtstarke Objektive für die Hundefotografie nun zwingend notwendig, um schöne Fotos von seiner Fellnase zu machen? Schieben wir aufwendige Testberichte zur Seite und greifen auch hier auf Erfahrungen und eine kleine Statistik zurück. Das folgende Diagramm zeigt, mit welcher Blende die über 4.000 Fotos aus der ersten 18 Lebensmonaten von unseren Berner Sennenhund Max entstanden sind.

Die von mir verwendeten Blenden für meine Hundefotos.
Die von mit verwendeten Blenden hier im Tagebuch.Stand Februar 2023

Überrascht?
Wie man deutlich sieht, fotografiere ich überwiegend mit einer Blende von ƒ4, mit einer zunehmenden Tendenz zur Blende ƒ5.6 in den letzten Monaten – auch wenn ich rein technisch noch weiter aufblenden könnte. Oh mein Gott, was für eine Schande – möge man mich Teeren, Federn und öffentlich Auspeitschen!

Unser Berner Sennenhund Max ist mit seinen 18 Monaten ausgewachsen und eben kein kleiner Hund. Zumindest sollte sein Dickschädel von der Nase bis zu den Ohren möglichst scharf sein – gerade dann, wenn man aus einer gewissen Nähe, mit Objektiven längerer Brennweite und frontal auf den Hund zu fotografiert. Eine Blende von ƒ2.8 reicht oft gerade einmal für ein scharfes Auge und wenn sich der Autofokus meiner Kamera wieder einmal ein paar Millimeter daneben verbeißt, hat man einfach nur verloren.

Beispiel für ein Foto mit Offenblende und falsch sitzenden Fokus von Berner Sennehund Max.
Unscharf. Blende ƒ1.8, der Fokus sitzt ein paar Zentimeter vor den Augen.

Der erzielbare Tiefenschärfebereich, der mit lichtstarken Objektiven in Verbindung mit Vollformatkameras auf ein ganz schmales Minimum reduziert werden kann, hilft, Objekte vom Hintergrund freizustellen und die Schärfe gezielt auf nur bestimme Punkte wie Nase oder Augen des Hundes zu legen.

Nun steht nicht jedem Motiv ein nur wenige Millimeter schmaler Schärfebereich und wenn alles andere seines Hundes in dauernder Unschärfe versinkt, fängt das recht schnell an zu nerven – und man wird des Bildlooks schnell überdrüssig. Meine Meinung.
Zum absoluten Fluch wird es spätestens bei Aussortieren seiner Fotos, wenn man feststellt, dass eben nur noch Nase oder eines der beiden Augen, schlimmstenfalls keines davon, scharf ist.
Die Ausschussquote von Fotos mit Offenblende ist somit hoch. Stirnrunzelnd frage ich mich gelegentlich, wie hoch diese wohl bei begeisterten Leica Besitzern mit Brille, manuellem Fotos und Objektiven mit Blende kleiner ƒ2.8 ist.

Die Tiefenschärfe oder Schärfentiefe, beide Ausdrücke sind erlaubt, also die Größe des Bereichs, in welchem ein Objekt scharf abgebildet wird, ist mit lichtstarken Objektiven, Offenblende und einer Vollformatkamera ein Tanz auf Messers Schneide. Wer sein Konto für solch ein optisches Meisterwerk für mehr oder weniger lange Zeit ruiniert hat, ist natürlich bestrebt, dessen Möglichkeiten auch auszureizen – schlussendlich war es teuer genug, also auf' die Blende.

Berner Sennehund macht mit Frauchen Katrin am Markkleeberger See Pause.
Aufgenommen mit dem Nikkor Z 24-70/2,8 – abgeblendet auf ƒ4. Max ist scharf abgebildet, Katrin schon nicht mehr.

Vielleicht sollt man vor dem Kauf einmal einen Blick auf einen DOF-Rechner (Depth of field) werfen, Internetseiten und Apps für das Smartphone gibt es hierfür genug. Wer seine fotografischen Gewohnheiten und Motive kennt, stellt recht schnell fest, dass der Schärfebereich mit lichtstarken Objektiven und Offenblende erschreckend klein sein kann – und selbst beherztes Abblenden keine Schande ist.

Screenshots einer DOF-App auf einem Smartphone.
Selbst mit Blende ƒ4 wird es eng.Screenshot der TrueDOF-Pro App auf dem iPhone

Auf ƒ4 abgeblendet, ergibt sich ein scharfer Bereich bei 1, 2 oder 4 Metern von nur 2, 12 oder 51 Zentimetern. Selbst mit einer Blende von ƒ8 und einer Entfernung von 4 Metern kommen wir auf knapp einen Meter Schärfebereich. Lassen wir die Zahlen Zentimeter auf uns wirken – das wird teilweise schon mächtig knapp.

Von daher darf bei mir der Blendenring ruhig auf ƒ4 und ƒ5.6 stehen, ohne dass mich gleich ein schlechtes Gewissen plagt.

Nebensächlich Offenblende ist nicht immer hilfreich.

Bei Aufnahmen aus der Bewegung rückt das Thema Offenblende nochmals weiter in den Hintergrund. Wenn der Vierbeiner nach viel Üben und Zureden endlich wie gewünscht auf den Hundefotografen zu stürmt, springt oder sonstige sehenswerte Kapriolen vollführt, ist neben einem leistungsfähigen Autofokus eine sehr kurze Belichtungszeit wichtigere Voraussetzung als eine offene Blende.

Bildschärfe hat für mich in diesem Fall Priorität. Max darf hier durchaus von vorn bis hinten scharf abgebildet sein, wenn er mit seinen 50 Kilogramm über das Feld jagt. Hier fotografiere ich gern mit festen Belichtungszeiten von 1/1.600 Sekunde, gern auch noch kürzer und überlasse dank Blendenautomatik die Auswahl selbiger meiner Kamera. Wenn nicht gerade Bilderbuchwetter ist, schaue ich auch hier, dass die Blende möglichst nicht unter ƒ4 rutscht und schraube gegebenenfalls die Empfindlichkeit hoch – oder nutze gänzlich den manuellen Modus.

Max ist hier meist weiter entfernt von mir als sonst, durch den dann zunehmenden Schärfebereich hält sich der Ausschuss ihn Grenzen – viel Übung, Erfahrung und einen geduldigen Hund vorausgesetzt. Max ist es eher nicht …

Schwergewicht Die Last mit der Last.

Lassen wir bei aller Begeisterung für lichtstarke Objektive und noch so großen Habenwollen-Effekt das Gewicht solcher Brocken nicht außer Acht. Ein Punkt, der bei der Auswahl von passenden Objektiven zur Hundefotografie in den technischen Daten gern zu schnell übersprungen wird. Das gute Kilogramm in der abwägenden Hand scheint den Preis für das schlechte Gewissen sofort zu rechtfertigen – nicht aber die Mühen, solch ein Teil einen ganzen Tag lang mit sich herumzutragen.

So verführerisch uns diese Objektive aus der Vitrine anlächeln und die Blende 2.8 blendet – nach ein paar Kilometern Wandern wird man jedes verdammte Gramm am Kameragurt spüren. Rechnen wir noch das Gewicht der Kamera und eines weiteren Objektives hinzu, ist das Ertragbare im wahrsten Sinn des Wortes erreicht.

Resümee und Fazit Ein kleines Eingeständnis.

Letztendlich will ich die lichtstarken Objektive nicht schlecht reden, ich besitze ja selbst einige davon, bin hochzufrieden und schleppe sie auch tapfer ohne Murren durch die Gegend. Höchstens eins davon.
Für die Portrait–, Hochzeits– und Eventfotografie und Aufnahmen unter schlechten Lichtbedingungen sind sie unentbehrlich, was ich auch nicht infrage stelle. Technisch ausgereift mit einer hochwertigen Verarbeitung sind sie jedem Zweifel erhaben.

Heute würde ich mit ruhigem Gewissen und aufgrund der gemachten Erfahrungen auf die seit einiger Zeit auch von großen Herstellern zunehmend angebotenen (Zoom-) Objektive mit einer maximalen Blendenöffnung von ƒ4 zurückgreifen. Sie bieten eine für die Hundefotografie ebenfalls hervorragende Abbildungsleistung, oft auch mit interessanten Brennweitenbereichen und erheblich geringerem Gewicht.
Der Kontostand und Rücken wird es danken – ebenso das Fotoalbum, da die Kamera aufgrund des deutlich geringeren Gewichts öfters dabei ist und schöne Hundefotos als Andenken mit nach Hause kommen.

Vielleicht mag der Vergleich etwas hinken: Wir hätten auch gern einen schönen VW-Bus für uns und unseren Berner Sennenhund Max. Letztendlich kommen wir aber auch mit einem VW Caddy sehr gut zurecht und durch die Welt.

Wie sagt aber ein bekannter Fotograf: Haben ist besser als brauchen.

Umblättern

Blättert vorwärts und rückwärts und erfahrt mehr.