Es war einmal Wir suchen ein Hundeauto.
Dass irgendwann bei Mutti und Vati ein Berner Sennenhund einziehen wird, stand schon viele Jahre fest. Dass es ausgerechnet ich sein werde, war dann doch eher eine glückliche Fügung.
Jedenfalls bereiteten sich meine Eltern schon lange auf meinen Einzug vor und so stand auch das Thema Hundetransport in deren Hausaufgabenheft. Ein Berner Sennenhund wird recht schnell ziemlich groß, dementsprechend schwer und will auch transportiert und mitgenommen werden – zum Spazierengehen, auf Ausflügen und Wanderungen und natürlich auch in den Urlaub oder gelegentlich zum Tierarzt.
Die Nutzungsdauer von Muttis kleinen VW Polo, neudeutsch auch Leasing genannt, lief langsam ab und Vatis häufig wechselnde Dienstwagen sind zwar schick, aber nicht wirklich hundetauglich und für solche Zwecke auch nicht vorgesehen – krause Hundehaare in allen Längen und üble Bernerpupse sind nun mal nicht jedermanns Sache.
So saßen meine Eltern viele Wochen vor meiner Geburt beim Händler ihres Vertrauens und schauten, was es für hundetaugliche Autos für stämmige Berner Sennenhunde gab. Die Auswahl ist dann doch überschaubar, das Budget nicht unendlich – schließlich will das neue Familienmitglied ja auch noch täglich gefüttert werden und nicht am Hungertuch nagen.
Vatis Traum, ein VW Bus, blieb ein Traum – so groß, praktisch und schick er auch sein mag. Ein SUV ist zum Einsteigen für Hunde zu hoch, klassische Kombis wiederum zu flach im Kofferraum. Es kam, wie es kommen musste: Ein dröger, klassischer Hochdachkombi, blöderweise auch noch Hundefänger genannt, ist das tatsächlich Passende für uns. Quadratisch, praktisch, gut – tiefer Einstieg und jede Menge Platz mit großen Türen. Preislich zwar auch nahe der Ohnmachtsgrenze, aber selbst Gebrauchtwagen solcher Art waren schon zum damaligen Zeitpunkt nur unwesentlich günstiger.
Schimpfen, Jammern und am Kopf kratzen half nichts – Wochen später wurde der Stift gezückt, die Bestellung unterschrieben und so wie die Tinte auf dem Kaufvertrag trocknete, erschien auf dem Handy meiner Eltern ein Nachricht meiner Zuchteltern, dass ihre Hündin Liv von den Sternberger Seen gerade drei Welpen auf die Welt gebracht hat. Einer davon war ich, auch wenn ich damals noch als Mädchen interpretiert wurde.
Eine klassische Punktlandung, das Warten auf den kleinen Berner Sennenhund Welpen als auch auf das passende Auto begann.
Was lange währt wird endlich gut
Dass ich als Welpe erheblich eher bei meinen neuen Eltern einziehen werde als deren neues Auto, war absehbar und auch nicht problematisch. Schließlich dauert es immerhin ein ganzes Menschenjahr, bis ich ausgewachsen bin – von daher sollte der bisher vorhandene Fuhrpark durchaus ausreichen und bis dahin der neue Berner Dienstwagen gebaut sein.
Nun liegen zwischen Theorie und Praxis bekanntlich Welten. So kam es, dass Muttis kleiner VW Polo recht schnell zu klein für mich wurde, ich immer schneller wuchs und selbst in Vatis Limousine im Fond sitzend mit dem Kopf an das Dach stieß. Ein Jahr ist schnell vergangen, ich bin ausgewachsen und vom bestellten Berner Sennenhund Dienstwagen ist weit und breit nichts zu sehen.
Panik kommt noch nicht auf, Nachfragen beim Hersteller haben keinen Sinn. Hinsichtlich ständiger Hiobsbotschaften von Liefer– und Produktionsproblemen schwinden die Hoffnungen und die Befürchtungen steigen, dass wir unser neues Auto überhaupt jemals zu sehen bekommen.
Warten. Warten. Warten …
15 Monate (fünfzehn Monate), also über eineinviertel Jahre später, griff Vati wieder einmal nach Monaten gelangweilt und den zu erwartenden Schulterzucken bewußt zum Telefon und fragte nach dem aktuellen Stand der Dinge. Was soll schon passieren, außer der Erkenntnis, dass mein dringend benötigter Dienstwagen irgendwo halbfertig zusammengebaut auf einem riesigen Abstellplatz im traurigen Nirgendwo vor sich hin rostet.
War es ein Wink des Schicksals oder einfach nur ein glücklicher Zufall: Vatis Mundwinkel zogen sich plötzlich nach oben, ein ungläubiger Ausdruck erschien in seinem Gesicht. Hatte er sich gerade verhört?
Der königlich-sächsische Berner Sennenhund Dienstwagen ist fertig. Unser Händler hat den Lieferschein soeben erhalten, der Caddy steht fix und fertig 35 Kilometer von uns entfernt im KV-Terminal im sächsischen Glauchau, quasi zum Greifen nahe. Wo ist die Sektflasche?
Immer noch an der guten Nachricht zweifelnd und dieser erst dann Glauben schenkend, wenn der Caddy leibhaftig vor einem steht, schaute Vati einen Tag später neugierig beim Händler über den Hof. Tatsächlich – zwischen einigen anderen frisch angelieferten Fahrzeugen versteckt sich unser Caddy.
Noch muss er aus seinen Eierschalen befreit und aufbereitet werden – aber all´ die Wartezeit ist nun endlich vorbei und die Übergabe in einigen Tagen in Sicht. Ich freue mich!
Der große Tag Mein Berner Sennenhund Dienstwagen wird abgeholt
Mittwochnachmittag, 14.09.2022. Mutti und Vati wuseln schon wieder aufgeregt hin und her – stetes Zeichen, dass wieder irgendetwas aufregendes passiert. Aber wo bleibt bitte schön meine Leine und warum stehe ich noch immer hinter dem Tor statt davor bei meinen Eltern? Beide krabbeln in Muttis kleinen weißen Flitzer, brabbeln etwas von Verabschieden und schwupp, waren sie weg. Was zur Hölle … ?
Ich darf tatsächlich nicht mitkommen! Mir steigen gerade meine Hormone mächtig zu Kopf und da Mutti und Vati bei der Übergabe des neuen und Rückgabe des alten Autos Ihre Gedanken ein bisschen zusammennehmen müssen, würde niemand auf mich aufpassen können. Oder wollen. Wahrscheinlich würde ich eher den Autohausbetrieb lahmlegen.
Nach der gewaltigen Meisterleistung, vierhundertsiebzig Tage für die Fertigung eines unspektakulären Autos im hoch technisierten 21. Jahrhundert zu brauchen, können es meine Eltern kaum glauben: Geputzt und gewienert steht unser mein hochamtlich königlich-sächsischer Fellguschen Dienstwagen im Verkaufsraum zur Übergabe bereit. Was lange währt, wird endlich gut!
Die Zeiten, wo neue Autos mit großen roten Schleifen an die stolze Kundschaft übergeben wurde, sind seit Jahren vorbei – ein paar Unterschriften, ein symbolisches Schulterklopfen und der Zündschlüssel mit ein paar Papieren wechseln nach einem artigen Dankeschön unspektakulär den Besitzer. Das Sparschwein von Mutti und Vati natürlich auch – und dass war ein ziemlich großes Sparschwein. Zur Beruhigung des rebellierenden Gewissens für den schmerzenden Sparschweinwechsel gab es aber für mich für meine Eltern eine Flasche Sekt zum Herunterspülen … zumindest diese Tradition und Geste gibt es noch.
Tatsächlich stand er dann vor meinen Eltern – blitzblank, mächtig groß und wie bestellt. Alle Beteiligten hatten ein mächtiges Grinsen im Gesicht, alle Zweifel waren verflogen und vorsichtig wurden erste Türen geöffnet und Tasten gedrückt. Neuwagengeruch liegt in der Luft, den ich auch gern geschnüffelt hätte.
Wie mir Mutti und Vati berichteten, waren alle sehr lieb und herzlich, nahmen sich Zeit und es wurde viel gelacht. Für die lange Wartezeit kann auch dort niemand verantwortlich gemacht werden und wurde eher von anderer unbeliebter Stelle verursacht, worüber sich Vati immer ganz furchtbar aufregt.
Hoffentlich hat Mutti ordentlich zugehört und aufgepasst, damit meinen ersten Dienstfahrten nichts im Weg steht und Sie mich nicht blamiert.