Verordneter Tiefschlaf HD Untersuchung für Berner Sennenhunde
Dienstagmorgen in Sachsen – und irgendetwas ist doch hier schon wieder im Busch? Es gibt kein übliches kleines Stück Zwieback nach dem Aufstehen und Mutti ist so zeitig am Morgen immer noch zu Hause. Komisch.
Meine Eltern wuseln im Haus herum und meine Berner-Nase meldet mir beim morgendlichen Dösen vor der Terrassentür, dass die beiden irgendwie aufgeregter sind wie sonst. Was ich aber überhaupt nicht verstehe: Es ist schon nach sieben Uhr und wo zum Berner bleibt eigentlich mein morgendliches Frühstück? Meine ganzen Näpfe sind plötzlich verschwunden und meine Eltern machen keine Anstalten, was irgendwie nach Frühstück machen aussieht.
Hab' ich was verbrochen?
Ich habe Hunger. Das scheint heute aber niemand zu interessieren, von daher melde ich so langsam leichten Protest an. Die beiden können doch nicht so einfach Ihren Max vergessen? Ich will ja nicht gleich mit der Terrassentür ins Haus fallen, aber ein dezentes Fiepen und leichtes Vor-sich-hin-Winseln in Verbindung mit herzerweichenden Blicken halte ich für durchaus angebracht. Das zieht eigentlich immer um Aufmerksamkeit zu wecken – nur heute nicht.
Nun denn, der Grad des Protests wird angezogen und ich versuche durch unruhiges Hin– und Herlaufen und symbolischen Schwenken großer weißer Fahnen auf den drohenden Versorgungsengpass hinzuweisen. Türen gibt es ja am Haus genug, an welchen man sich bemerkbar machen kann …
Doch aller Protest hilft nicht, es gibt offensichtlich nichts zu Essen für den am Hungertuch nagenden Berner Sennenhund. Ob ich auf bockig umschalte und beide den ganzen Tag mit Missachtung strafen sollte? Zu allem Überdruss krault man mir auch noch meinen leeren und knurrenden Bauch – sonst ja gern erduldet und gewollt, aber heute nahezu ein Hohn.
Skandal, ich gehe tatsächlich leer und hungrig aus. Als ich dann noch das Klappern meiner Hundeleine höre, verstehe ich die Welt überhaupt nicht mehr. Mitten in der Woche um diese Zeit spazieren gehen?
Pflichtbewusst und in voller Erwartung angeleint, erblickte ich dann noch die offene Tür von Vatis aberwitziger und zwischenzeitlich für mich viel zu klein geratener Hundelimousine. Autofahren – geile Sache, das habe ich in den letzten heißen Monaten echt vermisst. Wenn der knurrende Magen nur nicht wäre …
Irgendwie ging die Autofahrt aber in für mich ungewohnte Richtungen und endete schon nach 20 Minuten im sächsischen Röhrsdorf bei Chemnitz – und hier sah es überhaupt nicht nach spazieren gehen in Wald und Flur aus. Straßen und Beton, wohin der Hund blickte und auf dem kleinen Stückchen Grün am Parkplatz roch es an jeden Grashalm nach anderen Artgenossen. Verdammt – das kenn ich doch von meinen letzten Tierarztbesuchen? Die werden doch nicht etwa …
Tatsächlich wollen meine Eltern mit mir da rein. Können die nicht lesen – da steht was von Kleintieren dran, was soll ich als ausgewachsener Berner Sennenhund in einem Fachzentrum für Kleintiermedizin?
Mutti verschwand tatsächlich durch den Eingang und Vati machte keine Anstalten, Sie dort herauszuholen und mit mir wieder nach Hause zu fahren. Komischer Ausflug … Mutti erschien nach kurzer Zeit wieder am Eingang und winkte mich und Vati hinein. Vielleicht gibt es hier endlich ein feines Frühstücksbuffet für mich?
Nein, gab es nicht.
Stattdessen musste ich seit langer Zeit mal wieder auf so eine blöde Waage – bin ich in einer Klinik für Essgestörte gelandet? 47,5 Kilogramm sind für meine Größe doch völlig in Ordnung – selbst Vati bekam große Augen, weil er mir schon lange das Fallen der 50 Kilogramm Marke prophezeite. Kannste mal sehen, Vati – Du mit Deiner kleinen Plautze!
Nach kurzer Wartezeit wurde mein Name aufgerufen und in freudiger Erwartung bin ich der netten Frau gefolgt. Bestimmt gibt es jetzt endlich mein Frühstück! Wobei das Zimmer überhaupt nicht nach Essen aussah, zudem roch es auch überhaupt nicht nach irgendwelchen Leckereien.
Plötzlich tauchten zwei von den vermeintlichen Köchinnen auf und begrapschten mich überall. Das finde ich prinzipiell ja nicht ganz schlecht – aber irgendwie hielt mich dann auch noch Mutti und Vati fest und von den ganzen kinderhaften Geplapper um mich herum merkte ich nicht, wie mir irgendjemand mit irgendetwas in meine Schulter piekte. Die ganze Aufregung um ich herum ließ dann plötzlich nach und ich war mit Mutti und Vati wieder allein. Das Zimmer wurde verdunkelt und mir war klar, dass es hier und heute nichts zum Essen gibt …
Mutti und Vati tätschelten und streichelte mich ganz lieb und mir wurde irgendwie ganz schnell ganz duselig und schwummerig – schlafen, nur noch schlafen. Ehe ich mich versah, lag ich flach, mir fielen meine Augen zu und ich merkte nicht mehr, was um mich geschah. Ich bin im Zauberwald!
Ich wurde auf eine Trage gehoben – und an die nächste Viertelstunde kann ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Mutti und Vati waren wohl nicht mehr bei mir und mussten im Vorzimmer warten, während irgendwelche großen Geräte in mich hinein gesehen haben.
Nach einiger Zeit hörte ich in weiter Entfernung die Stimmen von Mutti und Vati und konnte beide irgendwann durch meine halb offenen Augen auch erkennen. Ich wache langsam, ganz schön benommen und im wahrsten Sinne des Wortes hundemüde im Ruheraum auf. Ich wollte aufstehen, was aber nicht ging – meine vier Füße wollten einfach nicht gehorchen. Was war denn gerade passiert und warum hing so ein komisches piependes Ding an meiner Zunge?
Mutti streichelt mir schön den Kopf und hält meine kleinen Füßchen in Ihren Händen. Hatte Sie das gerade eben nicht auch schon getan? Die Sicht wird langsam klarer und ich kann meine Beine bewegen – auch wenn es zum Aufstehen noch nicht reicht.
Die Tante, welche mich offensichtlich gepiekt und somit temporär ins Zauberland befördert hatte, kam hinzu und sprach mit meinen Eltern und übergab beiden einen Haufen Zettel. Ich vernahm Dinge wie alles in Ordnung, keine Auffälligkeiten und dass die erste Narkosespritze völlig gereicht hätte.
Ich fing zu hecheln an, meine Zunge gehorchte mir langsam wieder und das Ding daran fiel ab. Der Versuch aufzustehen klappte noch nicht richtig und ja, Mutti und Vati, ich habe gesehen, dass Ihr Euch ein kleines Lächeln verkniffen habt. Nach ein paar weiteren Minuten war ich so weit wieder bei mir und stand auf leicht wackeligen Füßen wieder auf den Boden der Tatsachen. Die Tante begleitete uns noch zur Tür und ich ging zunehmend sicherer, mit Mutti aus diesen komischen "Kleintier" Dingens-Bummens.
Nach ein paar Minuten kam auch Vati aus dem Dingens-Bummens, freute sich mich zu sehen und flüsterte leise etwas von Sparschwein geplündert zu Mutti. Allgemeines Schulterzucken, ein lieber Blick zu mir und dann sollte es wieder nach Hause gehen – bzw. gefahren werden.
Auch wenn der Satz auf die Rücksitzbank von Vatis aberwitzigen Auto keine Herausforderung für mich ist, hielt mich mein noch immer nicht ganz wacher Kopf und die noch etwas wackeligen Beine davon ab. Ich pochte auf Unterstützung und Vati half seinen 47,5 Kilogramm Liebling vorsichtig ins Auto.
Meine Mutti saß mit auf der Rücksitzbank und passte auf mich auf. Den Kopf schön aufgestützt, weich gebettet und noch leicht vor mich hinsabbernd, traten wir den Weg zurück nach Hause an.
Mann ist mir noch duselig …
Angekommen zu Hause trottete ich auf meinen Stammplatz und ließ dort noch einmal ordentlich die Augen zufallen. Mutti durfte heute Homeoffice machen, Sie saß mit mir am Schreibtisch und passte auf mich auf. Viel zu tun hatte Sie dabei nicht, denn ich bin noch mal ordentlich weggetreten. Bitte kündigt beim nächsten Mal solche Späße vorher an …
Fazit und Grund der ganzen Aufregung
Natürlich haben Mutti und Vati das Röntgen nicht aus Langeweile, chronischen Geldüberfluss oder um mich zu ärgern machen lassen. Mir geht es gut und und zum Arzt muss ich eigentlich nur für meine Routineuntersuchungen oder um mir meine Impfungen gegen allerlei Unheil abzuholen.
Vor über einem Jahr haben sich meine Eltern bei meiner Abholung an meiner Zucht– und Geburtsstätte gegenüber meinen Zuchteltern verpflichtet, diese Vorsorgeuntersuchung machen zu lassen. Bei fast allen Hunderassen kann eine erblich bedingte Fehlbildung der Hüft– und Ellenbogengelenke auftreten, insbesondere bei großen Hunderassen – also leider auch bei uns Berner Sennenhunden. Die Hüftgelenke wachsen unter Umständen nicht richtig, sie sind verformt, was letztendlich zu starken Schmerzen und Herausspringen der Knochen aus den Gelenken führen kann. Gruselig …
Das nennt man wohl Hüftgelenksdysplasie, kurz HD, was aber durch eine Röntgenuntersuchung frühzeitig erkannt und dann auch behandelt werden kann.
Vati schickt die Röntgenbilder in den nächsten Tagen an den Schweizer Sennenhund Verein SSV, der ein entsprechendes Gutachten erstellt. Es wird in meiner Ahnentafel eingetragen und ist natürlich auch wichtig für die Weiterführung der Zucht bei meinen Zuchteltern in Apolda, aber auch beruhigend für Mutti und Vati.
Die Tante in Röhrsdorf meine zwar, es sei soweit alles in Ordnung, allerdings wird das endgültige Ergebnis bzw. der Befund durch die Gutachter beim SSV festgelegt – das bleibt also noch abzuwarten. Drückt mir die Daumen!